Die neue Hochtemperatur-Wärmepumpe im Herzen Berlins

Am Potsdamer Platz wird die Zukunft erprobt

Das Prinzip von Wärmepumpen ist einfach: Mit einer gewissen Menge Strom heben sie die Temperatur einer Niedertemperatur-Wärmequelle auf ein höheres, nutzbares Niveau. Auf diese Weise erzeugen sie viel mehr Wärme, als dies bei einer direkten Umwandlung von elektrischer Energie in Wärme der Fall wäre. Siemens Energy und die Vattenfall Wärme Berlin AG erproben in der Kältezentrale am Potsdamer Platz nun eine Hochtemperatur-Wärmepumpe, die diese Technologie im wahrsten Sinne des Wortes auf ein neues Level hebt. Über den aktuellen Stand des Vorhabens sprachen wir mit den Projektleitern von Siemens Energy, Thorsten Fippel, und der Vattenfall Wärme Berlin, Ersan Topcu.

Ersan Topcu von Vattenfall Wärme Berlin

Geben Sie uns bitte einen kurzen Einblick in den aktuellen Stand des Projektes.

Ersan Topcu: Wir sind im Zeitplan. Sämtliche Vorbereitungsmaßnahmen sind durchgeführt, zwei Absorptionskälteanlagen wurden demontiert und entsorgt, um Platz zu schaffen für die Hochtemperatur-Wärmepumpe. Die Rohrleitungen sind gelegt. Alle Kabelarbeiten wurden abgeschlossen und die Bestandstrafos umgesetzt. Vattenfall hat das Baufeld am 14.03.2022 an Siemens Energy übergeben. Gleichzeitig beginnt die schrittweise Anlieferung der Komponenten für die Hochtemperatur-Wärmepumpe. Das sind bis zu 30 Tonnen schwere Elemente. Bis Mitte Juni soll alles vor Ort sein. Siemens Energy startete als Generalunternehmer zum 21.03.2022 mit den tatsächlichen Montage- und Installationsarbeiten der E-Technik. Die sogenannte „kalte Inbetriebsetzung“ planen wir für September bis November. In dieser Zeit beginnen wir mit den Testläufen. Auf die Kälteversorgung am Standort hat das Bauprojekt keinen Einfluss. Die läuft seit 25 Jahren störungsfrei. Das soll auch so bleiben.

Wärmepumpen sind für Siemens Energy kein Neuland. Aber die Geschichte dieses Projekts klingt doch ein wenig überraschend. Wie kam es dazu?

Thorsten Fippel: In unserer zentralen Forschung sind wir bei der Suche nach geeigneten neuartigen Medien für Wärmepumpen auf ein Schäumungsmittel mit interessanten physikalischen Eigenschaften gestoßen. Wir haben festgestellt, dass wir es auch anderweitig nutzen können. Zum Beispiel als Wärmeträgermedium in einer Hochtemperatur-Wärmepumpe. Wärmepumpen gab es bisher am Markt mit 90 Grad Vorlauftemperatur. Mit dem neuen Kältemittel lassen sich Vorlauftemperaturen von bis zu 150 Grad realisieren. Das sind Parameter, die es in diesen Größenordnungen am Markt bisher noch nicht gab. Ab 100 Grad reden wir von einer Hochtemperatur-Wärmepumpe, ab circa fünf Megawatt von einer Großwärmepumpe.

Bei Siemens Energy haben wir alle Hauptkomponenten in unseren Werken, um daraus einen Business-Case zu machen. Der Bedarf ist da. Es gibt eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Es bietet sich für uns die Chance, auf diesem Gebiet zum Vorreiter zu werden. Also suchten wir gezielt nach Möglichkeiten, diese Technologie im industriellen Maßstab zu erproben, um belastbare Ergebnisse zu erhalten. Bei Vattenfall stießen wir auf offene Ohren. Mit der Kältezentrale am Potsdamer Platz fanden wir dann den idealen Einsatzort.

Was ist das Besondere an der Lösung am Potsdamer Platz?

Ersan Topcu: Unsere Hochtemperatur-Wärmepumpe nutzt die in der Kältezentrale entstehende, bislang über Kühltürme in die Umgebung abgeführte Abwärme. Mit ihrer Hilfe steigern wir die Energieeffizienz unserer Kälteanlage und produzieren gleichzeitig umweltschonende Wärme für das Berliner Quartier. Die Wärmepumpe soll mit Öko-Strom betrieben werden, der über Zertifikate realisiert wird. Die jährlich durch sie produzierte Gesamtwärmemenge beträgt 55 Gigawattstunden. Damit können im Sommer 30.000 Haushalte mit Warmwasser und im Winter 3.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden. Jährlich spart dieses Verfahren 6.500 Tonnen Kohlendioxyd sowie etwa 120.000 Kubikmeter Kühlwasser ein.

Schaltschränke für den Potsdamer Platz

Welche Rolle werden Hochtemperatur-Wärmepumpen in den nächsten Jahren im Wärmesektor spielen?

Thorsten Fippel: Wir werden in Zukunft nicht auf sie verzichten können. Es gibt viele Anwendungsbereiche, etwa in Kraftwerken, in der Papier-, Nahrungsmittel- und chemischen Industrie sowie in Rechenzentren und Fernwärmenetzen. In den kommenden drei Jahren wollen wir in der Pilotanlage am Potsdamer Platz gemeinsam mit Vattenfall wichtige Erfahrungen sammeln. Zukünftig werden wir Wärmepumpen mit einem Potenzial von 5 bis 70 Megawatt anbieten können.

Auf welche Weise werden die Ergebnisse erfasst und wie wird das gewonnene Wissen weitergegeben?

Ersan Topcu: Den Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch wird unsere neue Abteilung Asset Transformation Support Office (ATSO) zwischen anderen Wärmepumpenprojekten  sicherstellen . Durch die Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sind wir dazu verpflichtet, unsere Erkenntnisse in wissenschaftlicher Form zur Verfügung stellen.

Was waren die bislang schwierigsten Phasen im Projektverlauf und was hat Sie persönlich bisher am meisten begeistert?

Ersan Topcu: Eine industrielle Hochtemperatur-Wärmepumpe auf so kleinem Raum unterzubringen, ist eine echte Herausforderung. Aber bislang ist es uns gut gelungen, auch dank der guten Zusammenarbeit und der offenen Kommunikation mit Siemens Energy. Wir arbeiten mit einem schlanken Kernteam. Die Wege sind kurz, wir können uns sehr schnell abstimmen und die Aufgaben sind klar definiert. Es läuft richtig gut.

Thorsten Fippel von Siemens Energy

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