Fünf Fragen zum Thema Wasserstoff an...

Rainer Baake, Matthias Trunk, Hanno Balzer und Manfred Norbert Fisch

Der “Traumstoff” der Deutschen Energiewende... Wie aber konkret? In welchem Maße und wie erzeugen, bereitstellen, befördern. Hier gehen die Ansichten deutscher Meinungsführer auseinander.

Ein Überblick in 5 Fragen...

an Rainer Baake, Direktor der Stiftung Klimaneutralität; Matthias Trunk, Vorstand bei der GASAG AG; Hanno Balzer, Leiter Energiewirtschaft bei der HH2E AG und Manfred Norbert Fisch, Direktor der EGS-plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik. Die Fragen stellt Jürgen Pöschk, Initiator der ENERGIETAGE und Geschäftsführer der EUMB Pöschk GmbH

Wasserstoff im Jahr 2030 ist … Ein Grundpfeiler oder ein zartes Pflänzchen der Energiewende in Deutschland?

Baake: In 2030 werden bereits erhebliche Mengen an Wasserstoff vor allem in der Industrie eingesetzt, um rechtzeitig Fehlinvestitionen in fossile Technologien zu verhindern.

Trunk: 15 Prozent der bundesweiten Energienachfrage werden mit Erneuerbaren Energien gedeckt. Das Ziel der Klimaneutralität ist folglich noch weit entfernt und ohne den Einsatz von Wasserstoff kaum er­reichbar. 2030 wird Wasserstoff daher eine wichtige Rolle im Energiemix einnehmen.

Balzer: Wasserstoff ist ein Grundpfeiler der Energiewende, einschließlich der Sektoren Verkehr und Industrie –­ nicht nur für den Strommarkt.

Fisch: ... ein zartes Pflänzchen. Wie zu Beginn des Solarzeitalters wird die Wirtschaftlichkeit das Wachsen erschweren. In Europa brauchen wir zeitnah größere Produktionsanlagen von Elektrolyseuren, H2-Transportkapazitäten sowie PV- Fabriken.

Meine persönliche Wasserstofffarbenlehre reicht von grün bis …?

Baake: Einzig grün, wenn wir es schaffen, schnell genug große Mengen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu produzieren.

Trunk: ... blau und türkis für den Übergang und den Markthochlauf von großflächigen grünen Wasserstoff­anwendungen.

Balzer: ... bis grün. Andere Farben können den Einstieg erleichtern – das Ziel ist aber 100 Prozent Erneuerbar!

Fisch: ... grün.

Wasserstoff sollte produziert werden… in großen Städten um Elektrolyseabwärme zu nutzen, an Deutschlands Küsten, „jotwede“ von Norwegen bis Patagonien, wo Wind weht, Sonne scheint, Wasser fließt?

Baake: Schwerpunktmäßig an der deutschen Küste; von dort wird Wasserstoff über Pipelines zu den Industriebetrieben transportiert. Wer Wasserstoff in Süddeutschland produzieren will, muss für zusätz­liche Stromleitungen sorgen.

Trunk: Überall dort, wo es wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist. Um den künftig steigenden Wasserstoff­bedarf bedienen zu können, werden sowohl inländische Quellen als auch Importe erforderlich sein.

Balzer: Wir brauchen einen Technologiemix, der Wasserstoff, Wärme, Dampf und Strom bedarfsgerecht liefert. Strom lässt sich gut transportieren, insofern sollte ausreichend Wasserstoff am Ort des Wärmeverbrauchs erzeugt werden.

Fisch: Der Großteil des Bedarfs in Deutschland muss in Europa produziert werden, auch weil aus Nordafrika oder Saudi-Arabien nicht nennenswert günstiger nach Deutschland lieferbar. Ein Teil sollte direkt dort produziert werden, wo er benötigt wird. Die Nutzung der Abwärme aus dem der Elektrolyseprozess zur Wärmeversorgung von Städten steigert die Effizienz von 60 auf bis zu 90 Prozent.

Wasserstoff sollte: Vor allem „frei über den Markt gehandelt“, „an Sektoren die Fossile nicht anders kompensieren können zugeteilt“, „in Champagnerflaschen verkauft“ werden?

Baake: Grüner Wasserstoff wird knapp und teuer sein. Wir werden ihn fördern müssen und sollten ihn dort einsetzen, wo es zur Erreichung von Klimaneutralität keine vernünftigen Alternativen gibt.

Trunk: Das Wasserstoffangebot wird weltweit zunehmen und damit wird Wasserstoff als nachhaltiger und bezahlbarer Energieträger vielseitig einsetzbar werden, in der Industrie sowie im Gebäude- und Verkehrssektor.

Balzer: Kosteneffizienz erreicht man am besten über einen Markt. Dies ist unser Ziel für den Handel mit Wasserstoff! Ein Wasserstoffmarkt entsteht nicht „von allein“ und ist in ein Geflecht aus regulierten oder imperfekten Märkten eingebunden.

Fisch: Auf jeden Fall freier Handel. Der Markt für grünen Wasserstoff wird durch den Green Deal mittelfristig entstehen.

Sie sind Energieminister: Ihre ­ersten Maßnahmen im Bereich Wasserstoff wären?

Baake: (1.) Die Voraussetzungen für einen schnellen Ausbau der Erneuerbaren schaffen. Es gibt keine grünen Moleküle ohne grünen Strom! (2.) Mit Dänemark und den Niederlanden verhandeln, um gemein­sam in der Nordsee Offshore- und Elektro­lysekapazitäten aufzubauen. (3.) Einen verlässlichen Rahmen schaffen für den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie.

Trunk: Schaffung eines regulatorischen Rahmens, der die erforderlichen Anreize für einen schnellen Wasser­stoffhochlauf in der Industrie sowie im Gebäude- und Verkehrssektor setzt.

Balzer: Eine deutliche Beschleunigung der Energiewende: Kohleausstieg 2038 und unbestimmter Ausstieg aus fossilem Erdgas und Öl machen uns zum Schlusslicht der Energiewende. Dies ist für das Klima und Wettbewerbsfähigkeit fatal.

Fisch: Die PV-Industrie wieder in Europa aufbauen, die Industrie bei der Er­richtung von Giga-Fabriken für Elektrolyse-Anlagen unterstützen und eine Einspeisevergütung für grünen Wasserstoff einführen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich im ENERGIETAGE-Journal 2021 erschienen. Den Beitrag sowie das gesamte Heft können Sie auch als PDF-Datei herunterladen.

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